Wohnreform 2025
Seit März hat das AFI im Rahmen eines eigenen Arbeitstisches den Gesetzentwurf zur Wohnreform 2025 eingehend analysiert und mit Expert:innen intensiv diskutiert. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Bewertungen hat das Institut nun in 9 konkrete Anregungen und ein offenes Fragezeichen umgemünzt. „Wir sehen die Vorschläge sowie das ausgearbeitete Dokument als konstruktiven Beitrag für die anstehende Diskussion im Südtiroler Landtag“, unterstreicht AFI-Direktor Stefan Perini, „damit Wohnen hierzulande für Normalverdienende wieder wirtschaftlich zugänglich wird.“
#1: Mehr Geld für gemeinnützigen Wohnbau – echten Gamechanger schaffen!
Die Förderung des Neubaus gemeinnütziger Mietwohnungen ist ein richtiger und wichtiger Schritt, doch mit den im Gesetzentwurf veranschlagten Mitteln bleibt sie wirkungslos. Mit lediglich 5 Mio. € Fördersumme pro Jahr kann das große Potenzial des gemeinnützigen Wohnbaus bei Weitem nicht aktiviert werden. Das AFI nimmt zur Kenntnis, dass die aktuell vorgesehenen Beträge der Notwendigkeit entspringen, dem Haushaltsvoranschlag 2025-2027 zu entsprechen. Um den gemeinnützigen Wohnbau als echten Gamechanger zu etablieren, müssen die Mittel deutlich erhöht werden – andernfalls bleibt die „dritte Säule“ des Wohnungsmarktes nur ein leeres Versprechen. Eine glaubwürdige Stärkung dieser dritten Säule erfordert auch, dass Land und Gemeinden – analog zu Österreich – nicht nur fördern, sondern auch selbst als Träger gemeinnütziger Wohnbauprojekte auftreten.
#2: Sanieren und Verdichten vor Neubau
Die Förderung von Sanierung, Verdichtung und Bauen im Bestand ist zu begrüßen – sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Flächen- und Ressourcenverbrauchs. Die Anreize für diese Maßnahmen müssen aber deutlich höher sein als jene für den Neubau. Eine Erhöhung der Fördersummen um 50% für Sanierungen oder Aufstockungen sowie um 25% für mehrgeschossige Neubauten könnte hier eine wirkungsvollere Lenkungsmaßnahme sein. Die Maxime: Wenn schon Eigentumsförderung, dann hauptsächlich für das Bauen im Bestand und für die Errichtung mehrgeschossiger Neubauten. Nachhaltiges Bauen und Sanieren muss zusätzlich belohnt werden!
#3: Bestandnutzungsfonds: Leerstand aktivieren – nachhaltigen Wohnraum gewinnen
Die ersatzlose Streichung des Bestandsnutzungsfonds wäre ein schwerer Fehler – gerade jetzt braucht es gezielte Maßnahmen, um Leerstand zu reduzieren und Ortskerne mit neuem Leben zu füllen. Durch die Aktivierung und Anpassung des Bestandnutzungsfonds sollten Leerstandsmanager („Kümmerer“) mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden, um Eigentümer zu beraten, Sanierungen zu fördern und ungenutzten Wohnraum wieder verfügbar zu machen. Statt wertvollen Wohnraum verfallen zu lassen, müssen wir ihn endlich sinnvoll nutzen!
#4: Schutz für Vermieter – Entlastung für Mieter
Der Garantiefonds für Vermietende darf nicht zum Preistreiber werden! Die Befürchtung, dass die Kosten der Wohnungseigentümer:innen für den Beitritt zum Garantiefonds zu einer Erhöhung der Mieten führen, muss entkräftet werden. Deshalb braucht es klare Spielregeln: Nur wer zu fairen, transparenten Mietkonditionen vermietet, soll Anspruch auf Leistungen aus dem Garantiefonds haben. So wird sichergestellt, dass nicht nur Vermieter:innen abgesichert sind, sondern auch Mieter:innen tatsächlich entlastet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte zudem geprüft werden, ob eine unabhängige Vermittlungsstelle – nach dem Vorbild von „Sicher Vermieten“ in Vorarlberg oder der „Fondazione Housing Center Parma“ – nicht ein geeigneteres Modell wäre, um Leerstand abzubauen und gleichzeitig auf ein faires Gleichgewicht zwischen Vermieter- und Mieterinteressen hinzuarbeiten.
#5: 100% neuer Wohnraum für Ansässige – klare Regeln statt Schlupflöcher
Die vollständige Konventionierung neuer Wohnbauzonen ist essenziell, um der Spekulation einen Riegel vorzuschieben und Wohnraum für Einheimische zu sichern. Viel zu oft wurde in den letzten Jahren bei Neu- oder Erweiterungsbauten und Sanierungen am Bedarf vorbei gebaut – bzw. Wohnungen als Investitionsobjekt oder für Ferienzwecke statt als Lebensmittelpunkt für Einheimische gesehen. Eine konsequente 100%-Regelung von Anfang an sorgt für Klarheit und verhindert Schlupflöcher. Anpassungen können gegebenenfalls nach einer Evaluationsphase von 5 Jahre erfolgen. Das Prinzip: Ein rigides Gesetz anstatt ein Schweizer Käse von vornhinein!
#6: Einfacherer Zugang zu Wohnraum für Ansässige – aber nicht um jeden Preis!
Den Zugang zu Wohnraum für Ansässige zu entbürokratisieren ist notwendig – doch nicht auf Kosten sozialer Gerechtigkeit! Personen, die bereits eine angemessene Eigentumswohnung in gut erreichbarer Nähe zu ihrem Arbeitsort besitzen, sollen keinen Zugang zu zusätzlichem konventioniertem Wohnraum erhalten – dieser wird sonst jenen entzogen, die tatsächlich darauf angewiesen sind.
#7: Effektive Kontrollen gegen Missbrauch – aber mit echten Lösungen!
Die Verschärfung der Kontrollen gegen Missbrauch der Sozialbindung und Konventionierung ist ein wichtiger Schritt, doch sie allein schafft nicht automatisch zusätzliches Angebot. Unbesetzte, Ansässigen vorbehaltene Wohnungen müssen schneller wieder dem Markt zugeführt werden. Statt bürokratischer Hürden brauchen wir eine Online-Plattform oder spezialisierte Agenturen, die Angebot und Nachfrage wirksam verknüpfen. Auch Non-Profit-Organisationen könnten stärker eingebunden werden.
#8: Vorkaufsrecht des WOBI fair und bedarfsgerecht gestalten
Das Vorkaufsrecht des WOBI für preisgebundene Wohnungen in Gemeinden mit Wohnungsnot muss auf eine sozialgerechte Balance zwischen Sozialwohnungen und Wohnraum für den Mittelstand abzielen. Es ist nicht vertretbar, dass in Städten wie Bozen viele Familien auf Sozialwohnungen warten, während der Mittelstand automatisch bevorzugt wird. Der Wohnraum muss bedarfsgerecht verteilt werden, damit sozial schwächere Haushalte nicht zu kurz kommen und gleichzeitig auf eine gesunde soziale Durchmischung hingearbeitet wird.
#9: „Stadel-Artikel“ muss weg – Landschaftsschutz statt Zersiedelung
Der in der zweiten Gesetzgebungskommission neu eingefügte „Stadel-Artikel“ riskiert, ein gut gemeintes Gesetz zur Lachnummer zu machen – er läuft den Zielen des Gesetzes „Raum und Landschaft“ diametral entgegen. Statt klare Siedlungsgrenzen zu definieren, Landschaft zu schützen und weitere Bodenversiegelung zu vermeiden, wird damit der Zersiedelung der Weg geebnet und neue Spekulationsanreize werden geschaffen. Der „Stadel-Artikel“ ist kein sinnvoller Beitrag zu einer nachhaltigen Wohnraumpolitik – sondern allenfalls ein Türöffner für Spekulation. Deshalb: ersatzlos streichen und auch in Zukunft nicht durch die Hintertür wieder hereinlassen.
#?: Mitarbeiterunterkünfte – Ein Schlüssel zur Entlastung des Wohnungsmarktes in touristisch geprägten Gemeinden?
In touristisch geprägten Regionen können Mitarbeiterunterkünfte für die Entlastung des (konventionierten) Erstwohnungsmarktes zugunsten der ansässigen Bevölkerung sorgen. Es müssen aber weitere Möglichkeiten geprüft werden, um Hotel- und Gastbetriebe dabei zu unterstützen, ihre Mitarbeitenden wieder verstärkt innerhalb der eigenen Strukturen unterzubringen. Eine Erweiterung der Kapazitäten für die Unterbringung von Touristen muss zwingend mit einer gleichzeitigen Schaffung zusätzlicher Wohnmöglichkeiten für Mitarbeitende einhergehen – am besten im Bestand. Ob sich dieses Modell der temporären Mitarbeiterunterkünfte auch für andere Branchen mit Arbeitskräftemangel eignen könnte, bleibt im Detail zu prüfen: Mit den „Mitarbeiterunterkünften“ schafft der Gesetzgeber eine neue Wohnkategorie, die sich schwer verorten lässt und dessen wohn-, arbeits- und sozialpolitischen Auswirkungen vertieft werden müssen. Unser Fazit: Achtung, dünnes Eis!
Das AFI hielt im Rahmen des „Arbeitstisches Wohnreform 2025“ zwischen März und Mai 2025 eine Reihe von Treffen ab, an denen Vertreter:innen der Gewerkschaften, Genossenschaftsverbände, Centro Casa-Mieterschutz, Arche im KVW, Plattform Land und zahlreiche weitere Expert:innen teilnahmen. Dabei wurde der von der Südtiroler Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf gemeinsam analysiert, diskutiert und bewertet.
Nähere Informationen erteilt AFI-Forschungsmitarbeiter Michael Paler (T. 0471 41 88 32, ).