Digitalisierung
Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug in Südtirols Unternehmen und Organisationen. Das AFI sendet dazu eine klare Botschaft: Die KI-Revolution birgt für Arbeitnehmende zwar Risiken, eröffnet aber zugleich enorme Chancen. „Gerade die Gewerkschaften sollten eine Schlüsselrolle einnehmen, um diesen technologischen Wandel aktiv zu steuern“, betont AFI-Direktor Stefan Perini. Erste Erkenntnisse aus mehreren AFI-Veranstaltungen zu Künstlicher Intelligenz und Arbeitnehmerrechten bestätigen diese Einschätzung.
KI steht in vielen Betrieben noch am Anfang – und doch steht fest: Sie wird die Arbeitswelt tiefgreifend verändern. Für den Südtiroler Arbeitsmarkt erwartet das AFI | Arbeitsförderungsinstitut weniger das Verschwinden ganzer Berufe, sondern vielmehr einen Wandel innerhalb vieler Tätigkeiten. Vor allem automatisierbare Routinen werden künftig von KI übernommen. Ein Blick auf frühere technologische Revolutionen zeigt: Arbeit geht nicht aus, aber sie verändert sich grundlegend. Das kann – positiv betrachtet – zu spürbarer Entlastung, interessanteren Aufgaben und mehr Arbeitssicherheit führen. „KI kann für Beschäftigte ein Gewinn sein – wenn wir sie richtig einsetzen und klare Leitplanken definieren“, erklärt AFI-Direktor Perini. Gleichzeitig wächst der Anpassungsdruck: Beschäftigte werden künftig vermehrt KI-Anwendungen sicher und produktiv nutzen müssen. Damit die Chancen überwiegen und Risiken begrenzt bleiben, müssen die Sozialpartner den Wandel aktiv begleiten. Der Weg zu einer menschenzentrierten KI führt nach Ansicht des AFI über vier Schritte: Bewusstsein schaffen, Wissen aufbauen, Rechte einfordern und aktiv mitgestalten.
#1: Bewusstsein schaffen – Chancen und Risiken klar benennen
Arbeitnehmende sollten der neuen Technologie nicht mit lähmender Angst begegnen. KI ist keine Naturgewalt, die über die Belegschaften hereinbricht, sondern ein gestaltbarer technologischer Prozess. Entscheidend ist, ein Bewusstsein für die Ambivalenz der Technologie zu entwickeln: Wo drohen Risiken wie Überwachung, Arbeitsverdichtung oder intransparente Entscheidungen? Und wo eröffnen sich Chancen – etwa für körperliche und mentale Entlastung oder ein verbessertes Arbeitsumfeld? Gewerkschaften sind gefordert, Ängste abzubauen und den Blick auf die Gestaltungsspielräume zu lenken. AFI- Forscher Michael Paler präzisiert: „Wird KI als Werkzeug verstanden, das Menschen unterstützt statt ersetzt, steigt auch die Bereitschaft zu Weiterbildung und konstruktiver Anwendung.“
#2: Wissen vermitteln – der europäische AI-Act als Basis
Fundiertes Wissen über die rechtlichen Rahmenbedingungen ist entscheidend, um KI kompetent und wirkungsvoll einzusetzen. Mit der europäischen KI-Verordnung (AI Act 2024/1689) und dem gesamtstaatlichen Gesetz Nr. 132/2025 gibt es nun klare „Leitplanken“. Der AI Act legt einen risikobasierten Rahmen fest: Hochrisiko-Systeme – etwa KI für Personalentscheidungen bei Bewerbungen, Beförderungen oder Kündigungen – unterliegen strengen Vorgaben zu Transparenz und menschlicher Aufsicht. Systeme mit geringem Risiko, wie gängige Chatbots (z. B. ChatGPT oder Gemini), müssen vor allem Datenschutz- und Transparenzpflichten erfüllen. Besonders wichtig ist Artikel 4: Betreiber von KI-Systemen müssen sicherstellen, dass ihr Personal über ausreichende KI-Kompetenz verfügt. „Die Qualifizierung der Mitarbeitenden ist seit Februar 2025 Pflicht“, betont Paler. „Diese Forderung müssen Gewerkschaften in die Betriebe tragen – denn Kompetenz ist der beste Schutz vor den Risiken der Digitalisierung, auch für die Unternehmen selbst.“
#3: Rechte einfordern – Transparenz und Schutz stärken
Die Gesetzeslage gibt Arbeitnehmenden und ihren Vertretungen starke Instrumente – die jedoch konsequent genutzt werden müssen. Das italienische Gesetz Nr. 132/2025 betont nicht nur, dass KI-Einsatz die Menschenwürde respektieren und nicht diskriminieren darf. Artikel 11 formuliert sogar einen positiven Auftrag: KI soll dazu beitragen, Arbeitsbedingungen zu verbessern, die psychische und physische Gesundheit der Beschäftigten zu schützen sowie Qualität und Produktivität der Arbeit zu steigern. Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitnehmende und Gewerkschaften umfassend und schriftlich zu informieren, wenn automatisierte Systeme zur Überwachung, Bewertung oder Entscheidungsfindung genutzt werden. Da technische Abläufe oft komplex und schwer durchschaubar sind, übernehmen Gewerkschaften eine wichtige Schutzfunktion: Sie müssen Risiken erkennen und Transparenz sowie faire, nicht verzerrte Algorithmen einfordern, die beispielsweise Frauen oder ältere Beschäftigte nicht benachteiligen.
#4: Aktiv mitgestalten – Betriebsvereinbarungen und Expertennetzwerke
Wenn Wissen und Rechte Pflicht sind, ist aktive Mitgestaltung die Kür. Gewerkschaften sollten nicht abwarten, bis sie vor vollendeten Tatsachen stehen, sondern proaktiv auf die Unternehmensführung zugehen. Unternehmen profitieren, wenn Mitarbeitende KI-Tools kompetent, sicher und eigeninitiativ nutzen – etwa zur Entlastung, Arbeitserleichterung und Produktivitätssteigerung. „Im Idealfall regeln größere Betriebe und Organisationen den KI-Einsatz über Betriebsvereinbarungen, die den Schutz der Beschäftigten mit den Unternehmenszielen verbinden“, ergänzt Paler.
Um Sozialpartner in diesem dynamischen Feld dauerhaft zu unterstützen, schlägt das AFI die Einrichtung einer ständigen, interdisziplinären Arbeitsgruppe vor. Ein Panel aus KI-Fachleuten, Datenschutz- und Arbeitsrechtsexpert:innen sowie Gewerkschaftsvertreter:innen könnte technologische Entwicklungen zeitnah bewerten und sicherstellen, dass KI in Südtirol zur Förderung „Guter Arbeit“ wird.